Das LJKE-Projekt Freiräumen gehört zu den Gewinnern des Ideenwettbewerbs „Kultur + Nachhaltigkeit = Heimat“ des Fonds Nachhaltigkeitskultur.
Wir haben in enger Zusammenarbeit mit Corinna Löwert, Klimaschutzmanagerin der Stadt Amberg, jede Menge Kreativität und Ideen zum Umdenken entwickelt und dabei ist das Projekt Freiräumen entstanden:
Worum geht es?
Theoretische Überlegungen:
Wir räumen öffentliche Plätze/Flächen/Orte frei, die im Widerspruch zu einer nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft stehen könnten, und geben Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, diese kreativ umzunutzen und sich dadurch auch zu
eigen zu machen. Durch die selbstbewusste ästhetische Transformation des öffentlichen Raums werden Identifikations-, Reflexions- und Bildungsprozesse angestoßen: Die Teilnehmenden erleben sich als MitgestalterInnen ihres Lebensumfelds, als ProduzentInnen von Kunst & Kultur, Werken & Werten, Sinn & Unsinn, als wichtige AkteurInnen der (Stadt-)Gesellschaft. Da Wandlungsprozesse groß und gemeinsam gedacht werden müssen, soll an sieben verschiedenen Orten in ganz Bayern – in urbanen Zentren wie in ländlichen Gebieten – freigeräumt werden.
Praktische Umsetzung:
Die maßgeblich von den Kindern und Jugendlichen selbst gestalteten Projekte werden jeweils von einem lokalen Bündnis aus im LJKE organisierten Jugendkunstschulen und kulturpäd. Einrichtungen sowie Organisationen des Umwelt- bzw. Naturschutzes (Klimaschutzmanagement, Transition, BUND, …) begleitet.
Teilprojekte – 7 Kunstaktionen in ganz Bayern

Coburg – Orte des GRAUens
Die Teilnehmenden diskutieren, was für sie in Stadt und Landkreis Coburg Orte des GRAUens sind. Sie gehen selbstständig auf Spurensuche nach dunklen Straßenecken, uneinsichtigen Parkplätzen, vermüllten Parks oder finsteren Tunneln und machen diese in Foto- und Filmaufnahmen sichtbar. Im nächsten Schritt überlegen die Kinder und Jugendlichen gemeinsam, mit welchen Gestaltungsmöglichkeiten sie diese Orte transformieren wollen – mit Malerei, Theaterspiel, Lichtinstallationen, Windspielen, Klangobjekten – oder wie sie die Natur dabei unterstützen können, sich diesen Raum zurückzuerobern, z.B. durch essbare Blumen und Pflanzen?
Erlangen – KLIMA KLASSE – KLASSE KLIMA
#Freiräumen spielt dabei in zweifacher Bedeutung eine Rolle, als Verb mit Aufforderungscharakter – einen Freiraum schaffen für alternative Denkmodelle und für eine lebenswerte Zukunft – oder als Substantiv – in „Frei-Räumen“ denken und träumen. Es geht um ein Vortasten, eine Annäherung: Erst wird die Büchertasche, dann das eigene Zimmer, später der Wald von Müll freigeräumt usw. Schließlich wird der Erlanger Ratssaal zur Bühne, zum Spielfeld für Klimakonferenz & Co.
Gauting – Paradiese nach/in der Krise – eine „Plauderoase“ im öffentlichen Stadtraum
Aus Fundstücken und Wegwerfartikeln aus dem persönlichen Umfeld der Kinder entstehen in verschiedenen Kursen und Workshops eine Sitzgruppe, Figuren, Lampen oder auch ein Mosaiktisch mit exotischen Blumen? Der Werkprozess bleibt offen, flexibel und kreativ … Zwei Kurzparkplätze vor dem Bahnhof werden #frei geräumt, um dort die „Plauder-Oase“ aufzubauen
Gräfelfing – Plastik/Zeit – Das kommt gar nicht in die Tüte!
Ausgangspunkt und -material ist der selbst produzierte Plastikmüll jedes einzelnen Kindes, der im Vorfeld gesammelt und zum Workshop mitgebracht wird. Der Plastikmüll wird flach gepresst, hoch gestapelt oder collagiert, zu Landschaften oder großen Plastik verzehrenden Tieren oder Maschinen der Zukunft zusammengesetzt. Diese künstlerischen Vorschläge der Kinder für einen zukünftig nachhaltigeren Umgang mit Plastik werden in Kino-Schaukästen, im Schaufenster eines Cafés und im lokalen Ausstellungsort IdeenREICH temporär gezeigt.
Rosenheim – Stadtleben – Leben in der Stadt
Die Stadt wird erkundet, es wird erforscht, diskutiert, phantasiert, gestaltet und informiert. In kreativen Ausdrucksformen erschaffen die Teilnehmenden ihre Wunschhäuser, werfen ihre Ideen an kahle Wände, damit alle sehen können, wie sie sich Leben in der Stadt vorstellen. Wer braucht noch Wohnraum? Kennst du die Stadtschwalben? Oder unseren Stadtfalken? Vögel sind in Rosenheim willkommen. Die Gruppe baut ihnen artgerechte Behausungen und geht auf Spurensuche – analog und digital.
Ingolstadt – BAUM DER WÜNSCHE
Was würde es für Auswirkungen auf die Lebensqualität in der Stadt haben, wenn es mehr Bäume gäbe? Diesen und weiteren eigenen Überlegungen gehen Jugendliche der Kunst und Kultur Bastei nach. Die Teilnehmenden erörtern die Fragen zusammen mit einem Philosophen und versuchen, konstruktive Lösungen und Vorschläge zu finden. Im Anschluss entwerfen und bauen sie einen großen BAUM DER WÜNSCHE. Um viele Menschen miteinzubeziehen, wird der Baum an öffentlichen Aktionstagen an verschiedenen Stellen in der Stadtmitte aufgestellt.
Amberg – POP_UP (Parkbank macht Schule)
Diese Bank steht an keinem festen Ort, sondern kann flexibel dort platziert werden, wo aus Perspektive der Jugendlichen Austausch- oder Handlungsbedarf im Hinblick auf eine nachhaltige Stadtentwicklung besteht. Egal ob auf dem Marktplatz, im Bus oder vor dem Jugendzentrum – die Kunstbank schafft Aufmerksamkeit und bietet Platz für Dialoge auf ihr, über sie und rund um sie herum.

Kontext des Projektes Freiräumen
Gesellschaftlicher Kontext:
Worum geht es nicht? Es geht nicht darum, eindimensionale Konsumkritik zu üben oder motorisierten Individualverkehr zu
despektieren. Vielmehr sollen junge Menschen dazu ermutigt und ermächtigt werden, sich zum und im öffentlichen Raum zu positionieren, ökologische und kulturelle Herausforderungen proaktiv anzugehen und somit Verantwortung für ihre Umwelt und ihre Heimat*(vgl. Innovativer Charakter) zu übernehmen.
Politischer Kontext:
Leitlinie für die Projekte ist das demokratische Prinzip der Partizipation. Die Kinder und Jugendlichen entscheiden selbst, entwickeln eigene Vorstellungen und Zukunftsvisionen. Diese Meinungsfindung und Kommunikation darüber sind zentrale Bestandteile einer gut funktionierenden Demokratie. Künstlerisch-kulturelle Gestaltungsprozesse sind ein veritables Erprobungsfeld auch für politische Mitbestimmung.
Wirtschaftlicher Kontext:
Um zukünftig nachhaltige wirtschaftliche Prozesse zu gestalten, bedarf es kreativer, phantasiereicher und inspirierender Köpfe, die durch kulturelle Selbstbildung komplexe Zusammenhänge auf unterschiedlichen Ebenen reflektieren können und bereit sind, innovative Lösungswege anzugehen. Durch das Ausprobieren in kleinen Freiräume, besteht die Möglichkeit, sich auch an die großen Fragen unserer Zeit zu wagen.
Ökologischer Kontext:
Junge Menschen setzen sich mithilfe von ExpertInnen mit unserer Natur und Umwelt und somit mit einem bisweilen fast schon verlorenzugehen drohenden Teil ihrer Lebenswelt auseinander. Sie besprechen ökologische relevante Themen und bekommen Einblick in ökonomische Zusammenhänge. So können gesellschaftlich dominierende Denk- und Handlungsmuster hinterfragen und eine eigene Haltung zu kultureller Nachhaltigkeit und nachhaltiger Kultur entwickeln.
Was sind unsere Ziele?
Das vorrangige Ziel von „Freiräumen“ ist, dass junge Menschen sich durch ästhetische Erfahrungen und partizipative Gestaltungsprozesse mit gesellschaftsrelevanten Themen auseinandersetzen und Verantwortung für ihre Lebens- sowie Umwelt übernehmen. Die Projekte sollen Impulse zur Reflexion und Weiterentwicklung von Denk- und Handlungsmustern geben. Anstatt mit erhobenem Zeigefinger einseitig zu kritisieren, soll mit Fantasie vielfältig diskutiert und (de-)konstruiert werden. Kultur und Natur sollen aufeinander bezogen, miteinander verknüpft und frech durcheinandergewirbelt werden. Durch das kreative Umgestalten, Umnutzen und Aneignen von öffentlichem Raum soll die Identifikation mit dem sozialen
Nahraum gestärkt und somit Bezug und Boden für ein nachhaltiges Miteinander geschaffen werden. Neben der individuellen Bezugnahme, wird die Generierung öffentlicher Aufmerksamkeit sowie Achtsamkeit gegenüber unserer zu schützenden Umwelt angestrebt. Durch Betonen und Bespielen des öffentlichen Raums soll das Umdenken von Raumordnungen, Maßstäben und Mustern angeregt werden.
Innovativer Charakter des Projektes
Der innovative und gleichzeitig nachhaltige Charakter des Projektes „Freiräumen“ liegt darin, dass junge Menschen darin bestärkt und begleitet werden, öffentliche Räume zu okkupieren und künstlerisch zu transformieren. Dekonstruktion (freiräumen) und Konstruktion (neugestalten) greifen ineinander, Positionen DAGEGEN gehen mit Visionen DAFÜR einher: Es wird nicht einfach pauschale Kritik geübt, sondern ein konstruktiver, ideenreicher und fantasievoller Austausch eröffnet. Wesentlich ist auch der partizipative Ansatz des Projekts: Durch das Auseinandersetzen mit gesellschaftlich relevanten Themen, das Finden und Behaupten einer eigenen Position und schließlich das dementsprechende Ausrichten des individuellen und Annähern des kollektiven Handelns, entstehen das Gefühl und Bewusstsein von Selbstwirksamkeit und daraus wiederum Mut und Motivation, sich in weitere Mitbestimmungsprozesse einzubringen.
Die Thematisierung des Raums aus kultureller sowie aus ökologischer Perspektive ist außerdem ein wichtiger Weg zum Umdenken und sukzessiven Umbauen von Strukturen. Da Raumordnungen und -abgrenzungen oft unantastbar wirken, ist es von großer Bedeutung, genau hier anzusetzen und dies zu hinterfragen: Auch der bestehende Raum ist das Produkt einer
permanenten Entwicklung und kann/muss an die Bedürfnisse der darin Lebenden angepasst werden. Die Projektidee orientiert sich dabei an den theoretischen Überlegungen von Prof. Dr. Martina Löw (Raumsoziologie – Spacing). Die Teilnehmenden werden zu PionierInnen für ein verteilungsgerechtes, ressourcenschonendes, kommende Generationen
mitbedenkendes, weltoffenes gesellschaftliches Miteinander.
Lasst uns anfangen, öffentlichen Raum zu recyceln, kulturelle Werte zu schöpfen und zu Zukunft aufzubereiten!
Heimat* – der Begriff der Heimat wurde um ein * erweitert, da der Begriff aktuell von rechten Gruppierungen in unseren Augen negativ besetzt wird. Wir wollen den Begriff deshalb in einen neuen Kontext setzen, welcher für eine Öffnung, Erweiterung,
Hinterfragung und Veränderung steht.

Interner Bereich für Projektteilnehmende (Passwortgeschützt).


Auch weitere Jugendkunstschulen haben Konzepte und Projekte zum Thema Nachhaltigkeit und Kultur entwickelt.
Beispiele: